Interview mit
Thomas Rabe
Thomas Rabe
Vorstandsvorsitzender von Bertelsmann
Im Interview blickt der Bertelsmann-CEO zurück auf das Geschäftsjahr 2023, erklärt die künftige Strategie des internationalen Medien-, Dienstleistungs- und Bildungskonzerns und äußert seine Erwartungen für die kommenden Jahre.
Herr Rabe, wie ist das Geschäftsjahr 2023 für Bertelsmann gelaufen?
Wir blicken auf ein gutes Geschäftsjahr 2023 zurück. Der Umsatz überschritt zum zweiten Mal in Folge die Marke von 20 Milliarden Euro. Das Konzernergebnis konnten wir um mehr als 25 Prozent steigern. Es lag zum neunten Mal in Folge über einer Milliarde Euro. Bertelsmann profitierte in einem anhaltend herausfordernden wirtschaftlichen Umfeld von der breiten Aufstellung und den Wachstumsimpulsen unserer Boost-Strategie.
Das heißt konkret?
Umsatzzuwächsen vor allem in unseren Buchverlags-, Musik- und Bildungsgeschäften standen insbesondere rückläufige TV-Werbeerlöse gegenüber. So verblieb der Umsatz von Bertelsmann mit 20,2 Milliarden Euro trotz des Verkaufs der Anteile am Customer-Experience-Unternehmen Majorel im November 2023 und eines herausfordernden Umfelds im TV-Geschäft auf dem Rekordniveau des Vorjahres. Das organische Umsatzwachstum betrug 0,8 Prozent. Das Operating EBITDA adjusted lag mit 3,1 Milliarden Euro auf dem hohen Niveau des Vorjahres. Ergebnisanstiege im Bildungsgeschäft der Bertelsmann Education Group sowie in den Dienstleistungsgeschäften der Arvato Group kompensierten den Ergebnisrückgang der RTL Group weitgehend.
Und das Konzernergebnis?
Das Konzernergebnis lag mit 1,3 Milliarden Euro erneut über der Milliardenschwelle und 0,3 Milliarden Euro über Vorjahr. Dazu trug insbesondere der Gewinn aus dem Verkauf der Majorel-Anteile bei.
Sie sprechen die Boost-Strategie an. Welche Fortschritte machen Sie hier?
Wir kommen mit dem Boost-Programm für das beschleunigte organische und akquisitorische Wachstum bestehender Geschäfte sehr gut voran und spüren seine Auswirkungen deutlich. Seit 2021 haben wir schon 3,9 Milliarden Euro im Rahmen unserer Boost-Pläne investiert. Allein im vergangenen Jahr waren es 1,4 Milliarden Euro. Ziel bleiben insgesamt fünf bis sieben Milliarden Euro bis Ende 2026; wir sind also auf der Hälfte des Weges. Das ist eines der größten und nachhaltigsten Investitionsprogramme in der Geschichte von Bertelsmann – aber nur eine von vier Stoßrichtungen unserer Strategie für die kommenden Jahre.
Welche weiteren Stoßrichtungen verfolgen Sie?
Bei der zweiten Stoßrichtung unserer Strategie, „Next“, geht es um den Aufbau neuer Geschäftsbereiche mit einem langfristigen Umsatzpotenzial von etwa einer Milliarde Euro. Hier sehen wir insbesondere im digitalen Gesundheitsgeschäft in den USA große Chancen. Bei der dritten Stoßrichtung, „Breakout“, geht es um den Ausbau bestehender Geschäfte und die Erweiterung ihrer Wertschöpfungsketten durch das Zusammengehen mit anderen Unternehmen, etwa im Bildungsbereich. Und bei der vierten Stoßrichtung, „Regional Boost“, geht es um den Ausbau unserer Geschäfte in besonders vielversprechenden Regionen. Neben den USA, die in wenigen Jahren den höchsten Anteil zu unserem Konzernumsatz beisteuern werden, stehen Brasilien, Mexiko und Indien im Fokus. Am Ende ist unser Ziel eine breitere Aufstellung des Konzerns im Sinne seiner Gesellschafter.
In den Jahren 2021 und 2022 lief nicht alles glatt für Bertelsmann, weil große Projekte zumeist an der ablehnenden Haltung verschiedener Wettbewerbsbehörden gescheitert sind oder zu scheitern drohten. Konnten Sie das inzwischen korrigieren oder gar kompensieren?
Mehr als das. In den Jahren 2021 und 2022 musste Bertelsmann in der Tat vier geplante Unternehmenstransaktionen absagen, drei davon wegen der ablehnenden Haltung der Wettbewerbsbehörden. Wir haben in der Folge gute alternative strategische Lösungen gefunden: So verlängerte die französische TV-Gruppe Groupe M6 die Senderlizenz ihres Hauptsenders, kündigte ein Investitionsprogramm und ambitionierte Wachstumsziele für den Streaming-Dienst M6+ an und erwarb die Übertragungsrechte für die Fußball-Weltmeisterschaften 2026 und 2030. Im Dezember 2023 vereinbarte die RTL Group den Verkauf von RTL Nederland für 1,1 Milliarden Euro an DPG Media, verbunden mit einer umfassenden strategischen Partnerschaft. Penguin Random House erwarb 2023 insgesamt zehn Verlage, unter anderem die Mehrheit an dem stark wachsenden Verlag Sourcebooks in den USA. Und schließlich verkaufte Bertelsmann seine Anteile an dem Customer-Experience-Unternehmen Majorel für rund eine Milliarde Euro an den Marktführer Teleperformance.
Fühlen Sie sich dadurch im Nachhinein in Ihren Auffassungen bestätigt?
Ich bin unverändert der Überzeugung, dass die europäischen Medienmärkte nur durch Konsolidierung im Wettbewerb mit den globalen Tech-Plattformen bestehen können. Nachdem uns ursprünglich geplante Konsolidierungsschritte versagt geblieben sind, haben wir andere Lösungen gefunden, die am Ende demselben – richtigen – Ziel dienen.
Mit welchen Erwartungen blicken Sie denn ganz konkret auf das laufende Geschäftsjahr?
Für das Geschäftsjahr 2024 rechnen wir mit einem moderaten Umsatz- und Ergebnisanstieg in den fortgesetzten Geschäften.
Und langfristig?
Aufgrund des Verkaufs von Majorel sowie des geplanten Verkaufs von RTL Nederland passen wir unsere Umsatz- und Ergebnisziele für das Jahr 2026 an und rechnen fortan mit einem Konzernumsatz von rund 21 Milliarden Euro sowie einem Operating EBITDA adjusted von rund 3,4 Milliarden Euro. Darin nicht enthalten sind die möglichen Zuwächse aus „Breakout“-Investitionen und „Regional Boost“. Durch den Verkauf von Majorel und RTL Nederland stehen uns erhebliche zusätzliche Mittel für Investitionen und Wachstum zur Verfügung.